Architektur ist die Fortsetzung von Natur mit anderen Mitteln

Bettina Götz und Richard Manahl, ARTEC Architekten
Wien, im September 1998

 

Architektur ist die Fortsetzung von Natur mit anderen Mitteln –  Die einfache Form des Komplexen

Was uns an der Architektur interessiert, ist der spezielle Raum und der Aspekt des Plastischen, die zwangsläufige Nähe zur Skulptur: Raum, der im besten Fall in verdichteter Form eine Einwirkung auf unser Empfinden hervorbringt, wie das eine Landschaft kann - von gleichzeitiger Selbstverständlichkeit und Überraschung. Was wir suchen ist nicht die Überhöhung der Natur, sondern eine Parallele zur Natur. An der räumlichen Ausbildung eines Objekts fasziniert uns das eigen-artige, nicht der neutrale oder indifferente Charakter. Als "skulptural" oder "plastisch" bezeichnen wir Objekte, die in sich eine Schlüssigkeit aufweisen, ganz gleich ob sie aus dem funktionsfreien Raum der Kunst kommen oder dem von Gesetzen beherrschten Bereich der Technik. Der Eindruck des Skulpturalen stellt sich bei Bauwerken ein, die über eine sehr ausgeprägte strukturelle Komponente verfügen.

 

Die Beschäftigung mit Strukturen und ihrem Potential, das "typologische" Element des Bauens, ist einer der Zugänge zum Entwurf: Die Reduktion und Ausreizung von materialisierten Randbedingungen der gesellschaftlichen Situation und den Möglichkeiten der Herstellung. Einmal Gefundenes kann zum Prinzip erhoben werden und hält den Kopf frei für das Wesentliche. Bestimmte Vorgangsweisen im Gestaltungsablauf können präventiv entschieden werden:

 

- das vollformatige Verwenden von Materialien

- den rechten Winkel schätzen

- das Licht zur Trennung der Elemente verwenden

- die Randbedingungen materialisieren

- Licht als Raumerlebnis dosieren

- die Natur des Materials freisetzen

- die Fläche an die Grenze treiben

- Vorrang des Horizontalen vor dem Vertikalen.

 

Ausgehend von einem typologischen, allgemeinen Ansatz wird unsere Architektur "speziell" durch die Überlagerung mit der besonderen örtlichen Situation für die sie gedacht ist. Es sind daher sogenannte schwierige Grundstücke für uns besonders interessant: Je komplexer die Randbedingungen, desto komplexer muss die Lösung sein. Wichtig ist, dass die Gestalt des Gebauten aus dem Konzept entsteht und nicht "entworfen" wird: Design ist überflüssig. Unsere Architektur ist keine Frage der Größenordnung. Es geht nicht um Groß oder Klein, sondern um das Erkennen des Problems und den Lustgewinn aus der Erkenntnis einer Lösung. Anstelle des de(kon)struktivistischen Reizes des Unfalls suchen wir die komplexe Schönheit des Zufalls.

 

Aus einem abstrakten Denkprozess entsteht konkrete Form. Es gibt viele Konzept-Möglichkeiten, aber für jedes Konzept nur einen besten Weg.