Der große österreichische Wohntraum von Haus und Garten und die spezifische Lage im Stadtraum, wo Reihenhäuser, Schrebergärten, Kleingartenanlagen auf großmaßstäbliche lineare Bebauungen aus den 50er - 80er Jahren treffen und der Anspruch an räumlich qualitätsvollen, leistbaren und flexibel nutzbaren Wohnraum sind der Ausgangspunkt des Entwurfes. Die einfache Stapelung von Parzellen samt ihren „Aufschließungswegen“ bietet die Möglichkeit einer Verdichtung der angestrebten Siedlungsstruktur: Wie bei einem Parkdeck werden Ebenen übereinander geschichtet, welche mit unterschiedlichen Wohnungstypen befüllt werden- vergleichbar einem mit Büchern befüllten Regal.
Das Regal
Eine Primärkonstruktion, die aus Stützen und Decks aus vorgefertigten Elementen besteht und auf ein Minimum reduziert ist, wird in kürzester Bauzeit aufgestellt – ähnlich einem Parkdeck.
Das Bauland
Die einzelnen Ebenen des Regals werden jeweils als Bauland betrachtet. Ein Bündel an „unsichtbaren Strukturlinien“ organisiert diese Baufläche, legt ein Straßensystem an und bildet bestimmte Bebauungsregeln. Das Erschließungssystem besteht aus Wegen und Plätzen über die man zu den einzelnen Grundstücken gelangt. Der Duktus der Reihung dieser Bauplätze gehorcht dabei den Gesetzen der Ökonomie, der Statik und der Offenheit für Flexibilität. Die Parzellenwege werden sowohl an den Rändern des Baulands als auch in der Mitte geführt und münden immer wieder in großzügige Platzflächen die der Gemeinschaft dienen. Dies ermöglicht ein abwechslungsreiches Durchwandern der Stadtlandschaft.
Im Fall der randseitig gelegenen Parzellenwege führt eine Vorgartenzone zu den Häusern, bei der mittigen Erschließung gelangt man direkt zu den einzelnen Wohnungen. Um die Vielfalt einer Stadtlandschaft zu gewährleisten gibt es unterschiedliche Haustypen die jeweils eineinhalb- bzw. zweigeschossig und mit Lufträumen organisiert sind: Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, Atriumhäuser.
Die großzügige Erschließungs- und Vorgartenzone fördert die Kommunikation mit dem sozialen Umfeld, ermöglicht die Bildung von Nachbarschaften und bietet als halbprivate bzw. halböffentliche Zone genug Raum für individuelle Adressbildung und verschiedenste Nutzungsformen. Die großen Vorgärten bieten auch die Möglichkeit Fahrräder und Kinderwagen direkt vor dem eigenen Haus abzustellen.
Jedes Haus hat einen großzügigen Garten. Es entsteht für die einzelnen BewohnerInnen ein höchst privater Freiraum, der die Möglichkeit sowohl des Rückzugs als auch der individuellen Selbstdarstellung bietet.
Die vertikale Stadtlandschaft
Die vertikale Addition der einzelnen Siedlungsebenen ergibt eine urbane (vertikale) Landschaft. Ein mehrgeschoßiges Wohngebäude als Katalysator für urbanes Leben, für eine Schichtung und Verdichtung der Stadt. Nicht das Gebäude steht im Vordergrund, sondern ein vielschichtiges Quartier, ein horizontales und vertikales Raumkontinuum, das durch seine BewohnerInnen interpretierbar und vielfältigst verwendbar ist. Hauptdarsteller ist nicht das Gebäude, sondern der/die zukünftige BewohnerIn.
Ökologie
Größte Einfachheit in der Konstruktion, Elementierung und Vorfabrikation der Wohnungsbauteile und damit verbunden eine möglichst kurze Bauzeit sichern die wirtschaftliche Umsetzung. Durch den Einsatz von Fertigteilen wird die Bauzeit signifikant verkürzt und damit die Lärm- und Staubbelastung für die Anrainer und Umwelt verringert. Nachhaltige Bauweise durch die Verwendung von Holzfertigteilen – Holz als nachwachsender und umweltfreundlicher Baustoff. Die vorgefertigten Elemente kommen per LKW auf die Baustelle und können direkt vom LKW mit dem Kran versetzt werden. Es ist kaum Lagerplatz auf der Baustelle und wenig Personaleinsatz für die Montage notwendig. Trockene Bauweise – Keine Austrocknungszeiten.
Symbiose zwischen bestehender Natur und geplanter Architektur - Einbindung der Bebauung in den Freiraum und Einbeziehung der Landschaft in die Gebäude. Weitestgehender Erhalt des Baumbestandes. Durch die Errichtung einer kompakten Garage, die sich nur unter den einzelnen Gebäuden befindet, kann die unversiegelte Fläche maximiert und eine entsprechende Bepflanzung gewährleistet werden. Private, begrünbare Freiräume für alle Wohneinheiten. Begrünbare Gemeinschaftsflächen auf den Decks.
Soziale Nachhaltigkeit
Um eine möglichst hohe Flexibilität und Vielfalt in der Nutzung zu erreichen, werden die „Hauptdecks“ mit großen Geschoßhöhen errichtet, so dass eingestellte Einheiten mit zwei Ebenen möglich werden. Die „Erschließungswege“ erhalten so eine adäquate Höhe und die Loggienzone wird vielfältig ausbaubar und nutzbar. Eine lebendige, lebenswerte, individualisierte Nachbarschaft entsteht auf jedem einzelnen Deck. Die Großzügigkeit der Decks bietet Spielmöglichkeiten für Kinder, Kommunikationszonen, Grünbereiche, gemeinsame Aufenthaltsbereiche und auch Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Kinderwagen am Deck.
In Längsrichtung des Riegels werden die Höhen der Einzeldecks entsprechend ihrer Nutzung moduliert, was reizvolle Spaziergänge, auch über zahlreiche (Flucht)stiegen durch das gesamte „Quartier“ ermöglicht. Das Flanieren und die sich dabei ergebenden zwanglosen Nachbarschaftskontakte sind eine wichtige Grundvoraussetzung für eine funktionierende soziale Nachbarschaft.
Das Erdgeschoß entlang der Polgarstraße bleibt offen, transparent und durchgängig. Diese Zone ist für Raumreserve und Durchgängigkeit freigehalten. Hier lagern sich öffentliche Nutzungen an: ein Cateringbetrieb mit Café und ein Gemeinschaftsraum mit Waschsalon werden zum Zentrum der Gemeinschaftlichkeit. Als überdachter Teil des Gemeinschaftsplatzes steht dieser Bereich unterschiedlichsten Nutzungen offen. Auch der Kindergarten ist an diese Zone angebunden. Die Gruppenräume liegen erdgeschossig im südlichen „Satellit“, inmitten seiner Freiräume. Darüber stapeln sich zwei Wohndecks. Der nördliche Satellit ist dem Wohnen vorbehalten, hier werden drei Decks zu einem Punkthaus gestapelt- ein großzügiger, grüner Hof bildet das Zentrum.
Fazit
Basierend auf der profunden Erfahrung der Projektbeteiligten in der baulichen Umsetzung von gefördertem Wohnbau in Wien versucht das Projekt „teures“ Bauen vor Ort und damit verbunden eine lange Bauzeit schon im Ansatz zu vermeiden.
Das Bauwerk wird in eine trockene Primärkonstruktion (Stahl-Beton- Verbundkonstruktion in Fertigteilbauweise) zur Herstellung der „Decks“ und in eine sekundäre Leichtbaukonstruktion (großformatige Holztafelbauweise für die Wohneinheiten) zerlegt.
Ein statisch sinnvoller, für Wohnbau und Garage brauchbarer Grundraster von 5,25 m wird der Gesamtstruktur zugrunde gelegt. Die Garage liegt eingeschossig direkt unter den Gebäuden, natürlich be- und entlüftet. Technische Details sind auf das absolut Notwendige reduziert, so sind auch alle Wohnungen querlüftbar, gut besonnt und alle Fassaden durch die ausladenden Decks weit überkragt und witterungsgeschützt.
Durch diese simplen Maßnahmen entstehen einerseits fast luxuriös großzügige Frei- und Erschließungsräume, andererseits leisten diese Maßnahmen den maßgebenden Beitrag für eine einfachste Bauweise: Wie im Brandschutzkonzept dargestellt, ermöglichen die brandbeständigen Decks eine einfache Holzriegelbauweise am Doppelgeschoß. So werden nach außen ökologisch hochwertige Holzfassaden möglich, die als vorfabrizierte, komplette Wandelemente inkl. Fenster auf die Baustelle geliefert und dort montiert werden. Die Bäder werden als fertig installierte Zellen eingesetzt. Dabei wird die Gesamtbauzeit um Monate verkürzt.
Anspruch an Bauteile
Einfache, nachhaltige und ökologische Konstruktionen (vorgefertigter Holzbau) wird durch die gewählte Bauweise („gestapeltes Bauland“) möglich: Anforderung an Fassaden nur Gebäudeklasse 4 (siehe Brandschutzkonzept D.I. Alexander Kunz). Nur die Primärkonstruktion benötigt Gebäudeklasse 5.
Vorfertigung
Kosteneinsparung (trotz großzügigem Flächenangebot in Erschließungsbereichen und privaten Außenräumen) durch maximalen Vorfertigungsgrad: Einfache, schnell „montierte“ Primärkonstruktion. Vollständig vorgefertigte Einbauten aus Holzkonstruktionen (bis zu fertig angelieferten Sanitärmodulen) werden im Takt miterrichtet. Dadurch wird eine Bauzeitverkürzung um ca. ein Jahr möglich (drastisch verminderte Störung des Umfeldes durch Bautätigkeiten, durch Vorfertigung in der Halle ist eine wesentliche Qualitätsverbesserung der Bauteile gegeben).
Primärkonstruktion und Garage
Einfachstes, natürlich belichtetes und belüftetes Garagendeck. Direkt daraus aufgehend wird ein Stützen/Trägersystem mit wirtschaftlichsten Spannweiten und Fertigteildecken errichtet.
Gebäudetechnik
Die maschinelle Vertikalerschließung der „Decks“ wird auf 4 große Aufzüge (Fahrräder werden mitgenommen, Möbeltransporte) reduziert: 2 Aufzüge im Gebäude Polgarstraße, jeweils ein Aufzug in den Hofbauten. Eine größere Anzahl von „informellen“ Stiegen (gleichzeitig Fluchtwege) verbinden die Decks in kurzen Abständen. Abluftgeräte von Garagen werden minimiert. Alle Wohnungen sind quergelüftet.
Bauträgerwettbewerb
Auslober: Neues Leben / Neue Heimat
ARTEC Architekten mit Helmut Wimmer und Partner
Team ARTEC Architekten:
Michael Murauer, Jun Wook Song
Anna-Maria Wolf
Modellbau: Fabian Antosch, Gül Cakar
Landschaftsplaner: Auböck + Kárász
Tragwerksplaner: Bollinger Grohmann Schneider
Bauphysik: Walter Prause
Brandschutzexperte: Alexander Kunz
Fotographie: ARTEC Architekten (Modell)